Samstag, 21 Dezember 2019 20:31

Artikel: Derivat (Wirtschaft)

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Ein derivatives Finanzinstrument oder kurz Derivat (lat. derivare ‚ableiten‘) ist ein gegenseitiger Vertrag, der seinen wirtschaftlichen Wert vom beizulegenden Zeitwert einer marktbezogenen Referenzgröße ableitet. Die Referenzgröße wird als Basiswert (Underlying) bezeichnet. Basiswerte können Wertpapiere (Aktien, Anleihen usw.), finanzielle Kennzahlen (Zinssätze, Indices, Bonitätsratings usw.) oder Handelsgegenstände (Rohstoffe, Devisen, Edelmetalle usw.) sein.


Wirtschaftlicher Grundgedanke

Derivate dienen dem Transfer von Risiken: Die Marktrisiken des Basiswertes werden durch Vertragsgestaltung in den Derivatevertrag implementiert und können nunmehr separat gehandelt werden. Der Basiswert selbst muss nicht mehr erworben oder veräußert werden. Derivate ermöglichen daher die Trennung von dinglicher Inhaberschaft am Basiswert und Partizipation an dessen Marktchancen und -risiken. Zugleich besteht ein hohes Maß an vertraglicher Gestaltungsfreiheit: Die Partizipation an den Marktrisiken des Basiswertes durch das Derivat muss nicht 1:1 übernommen werden, sondern kann – je nach Risikobedürfnissen der Vertragsparteien – beliebig abgewandelt werden.

 

Arten

Je nach Ausgestaltung der Hauptleistungspflichten im Vertrag unterscheidet man Festgeschäfte, Swapgeschäfte und Optionsgeschäfte.

  1. Festgeschäft: Festgeschäfte lassen sich als Kauf auf Termin charakterisieren. Der Verkäufer verspricht bei Vertragsschluss, zum Fälligkeitszeitpunkt den Basiswert zu liefern (Physical Settlement) oder einen Barausgleich in Höhe des dann aktuellen Marktpreises des Basiswertes zu zahlen (Cash Settlement). Der Käufer verspricht dagegen, zum Fälligkeitszeitpunkt eine fixe Zahlung zu leisten. Steigt der Marktpreis des Basiswertes während der Laufzeit, so ist das Geschäft für den Käufer vorteilhaft; fällt der Marktpreis, so ist es für den Verkäufer vorteilhaft.

  2. Swapgeschäft: Swapgeschäfte (Swaps) können wirtschaftlich als eine Serie hintereinander geschalteter Festgeschäfte betrachtet werden, z. B. der regelmäßige Leistungsaustausch alle 3 Monate für die Laufzeit von 5 Jahren. Bei einem klassischen Zinsswap verspricht bspw. die eine Vertragspartei, einen festen Zinssatz auf einen Nennbetrag zu zahlen, während die andere Vertragspartei die Zahlung eines variablen Zinssatzes auf diesen Nennbetrag zusagt.

  3. Optionsgeschäft: Optionsgeschäfte (Optionen) geben dem Käufer das Recht – aber nicht die Pflicht – zum Fälligkeitszeitpunkt (Europäische Option) oder während eines definierten Zeitraumes vor der Fälligkeit (Amerikanische Option) eine bestimmte Menge des Basiswertes zu einem fixen Preis zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Die Einräumung dieses Rechts lässt sich der Verkäufer der Option (Stillhalter) zu Beginn der Laufzeit durch eine Optionsprämie vergüten.


Derivate können auch Basiswerte anderer Derivate (2. Grades) sein (z. B. Swaption = Option auf ein vordefiniertes Swapgeschäft). Begriffe wie Termingeschäft, Finanztermingeschäft, Börsentermingeschäft, Finanzderivat oder Warenderivat sind rechtliche oder wirtschaftliche Synonyme bzw. Unterbegriffe derivativer Finanzinstrumente.

 

Systematisierung

Erfüllungsanspruch

Nach der Bedingtheit des Erfüllungsanspruchs lassen sich bedingte und unbedingte Derivate unterscheiden. Zu den unbedingten Derivaten (klassischerweise: unbedingte Termingeschäfte) zählen Festgeschäfte und Swaps. Hier besteht eine bindende Rechtspflicht zur Leistung zum Leistungszeitpunkt. Zu den bedingten Derivaten (klassischerweise: bedingte Termingeschäfte) zählen Optionen. Hier hängt die Verpflichtung zur Leistung von der Ausübung eines Wahlrechts durch den Optionskäufer ab.


Handelsort

Derivate können börslich oder außerbörslich (Over-the-Counter = OTC) gehandelt werden. Börsengehandelte Derivate sind entsprechend den Bedingungen der Börsen hoch-standardisiert, um einen schnellen und liquiden Handel zu gewährleisten und am zentralen Clearing-Prozess teilnehmen zu können. Derivategeschäfte sind hier als Wertpapiere verbrieft (z. B. Futures; Optionsscheine). Die weltweit größten Derivatebörsen sind die deutsch-schweizerische Eurex (aus der Fusion der SOFFEX und der DTB entstanden), die Chicago Mercantile Exchange (CME), die Korea Exchange (KRX), die britische NYSE Liffe, und die US-amerikanische Chicago Board of Trade (CBOT). Ebenfalls zu nennen ist die ICE Futures U.S. (früher New York Board of Trade) und die New York Mercantile Exchange (NYMEX), welche die großen Warenterminbörsen repräsentieren.

Außerbörslich gehandelte (OTC-)Derivate werden regelmäßig bilateral ausgehandelt und geschlossen. Sie weisen oft individuelle Vertragsgestaltungen auf (Kündigungsklauseln, Leistungsbeschreibungen, Sicherheitsleistungen usw.). Die EMIR-Verordnung verpflichtet Vertragsparteien von außerbörslich gehandelten Derivaten, diese Geschäfte grundsätzlich über eine zentrale Gegenpartei (CCP) clearen zu lassen. Da sich wirtschaftlich nur hinreichend standardisierte und liquide Derivategeschäfte zum zentralen Clearing eignen, müssen Vertragsparteien von OTC-Derivaten, die der zentralen Clearing-Pflicht nicht unterliegen, hohe Anforderungen an das betriebliche Risikomanagement einhalten.


Handelszweck

Derivategeschäfte werden einerseits zu Absicherungszwecken (Hedging) abgeschlossen. Das Marktrisiko eines zu sichernden Grundgeschäfts kann durch ein Derivategeschäft, das die Marktwertentwicklung des Grundgeschäfts invers abbildet, gesichert werden. Im Idealfall kann eine perfekte Absicherung erreicht werden. Industrie-, Handels- und Finanzunternehmen sichern sich so gegen Änderungen von Marktpreisen, Zinssätzen, Wechselkursen usw. ab. Die Marktgegenseite nehmen regelmäßig Spekulanten ein. Spekulanten übernehmen eigenverantwortlich Risiken in der Hoffnung, dass sie sich nicht realisieren und so ein Gewinn erzielt werden kann. Sie agieren damit als „Versicherer der Kapitalmärkte“.

Derivate können zudem zur Erzielung von Gewinnen aus kleinen Preisdifferenzen an unterschiedlichen Märkten genutzt werden (vgl. Arbitrage). Arbitrage-Gewinne können sich durch Ausnutzung von Preisdifferenzen zwischen Kassa- und Terminmarkt, aus komparativen Kostenvorteilen zwischen verschiedenen Marktsegmenten oder durch Ausnutzung rechtlich unterschiedlicher Behandlung wirtschaftlich gleichwertiger Geschäfte ergeben. Arbitragemöglichkeiten sind wichtig für die Preisbildung an den Märkten. Ein typisches Beispiel ist die sogenannte Cash-and-Carry-Arbitrage.

Bei Absicherungs- und Spekulationsgeschäften bieten Derivate verschiedene Vorteile gegenüber Kassageschäften in den Basiswerten. Derivate erfordern einen geringeren Kapitaleinsatz. Unterliegt der Akteur einer staatlichen Marktregulierung, zum Beispiel bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalregeln, gilt dies ggf. nicht mehr. Außerdem entfallen Lieferungs- und Lagerkosten, was insbesondere die Spekulation auf Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte erleichtert. Zudem kann es vorkommen, dass die Derivatmärkte liquider sind als die Kassamärkte im zugehörigen Basiswert.

 

Risiken

Derivate können hohe Risiken bergen. Allerdings sind Derivate nicht per se risikoreicher als Kassageschäfte. Denn mikroökonomisch betrachtet wohnen Derivaten dieselben Marktrisiken der Art nach inne wie den zugrunde liegenden Kassageschäften. Auch dem Ausmaß nach erzeugen Derivate keine Risiken, die nicht schon in gleicher Weise an den Kassamärkten existieren würden.

Erst im direkten Vergleich zwischen Termingeschäft und Basiswert ergeben sich Risikounterschiede. So ist die Preisbildung bei Derivaten insbesondere für Privatanleger oft intransparenter, da diese sich nicht (nur) wie bei Wertpapieren am Kassamarkt durch Angebot und Nachfrage ergibt, sondern neben dem Preis des Basiswertes auch andere Parameter (zum Beispiel Restlaufzeit) eine entscheidende Rolle spielen können. Dies ist für private Anleger oft schwer nachvollziehbar (Komplexitätsrisiko).

Zusätzlich kann – je nach Ausgestaltung des Kontrakts – das Risiko bestehen, entgegen der ursprünglichen Absicht bei Fälligkeit zusätzliche Geldmittel aufbringen zu müssen.

Zudem unterliegen auch die Preise von Derivaten derselben stochastischen Unsicherheit wie der Basiswert (Marktrisiko), wobei der Hebeleffekt jedoch eine stärkere Partizipation auch an negativen Kursbewegungen bewirkt und so zu überproportionalen Verlusten bis hin zum Totalverlust und darüber hinaus führen kann.


Geschichte

Der Derivatehandel kann bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. im heutigen Bahrain und Indien sowie Mesopotamien zurückverfolgt werden. Schon frühzeitig wurde versucht, die Risiken aus Handelsgeschäften, insbesondere durch die Seefahrt, in Form einfacher Futures abzusichern. Bereits Aristoteles beschreibt in seinem Werk Politik um 330 v. Chr. Marktmanipulation unter Verwendung von Derivaten auf die Kapazitäten von Olivenölpressen. Ein organisierter Handel lässt sich bis ins 12. Jahrhundert in Venedig zurückverfolgen.

Forwards und Optionen wurden in Amsterdam ab 1595 gehandelt, maßgeblich auf Tulpenzwiebeln. Dies führte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zur ersten Spekulationsblase, die unter dem Namen Tulpenmanie bekannt wurde. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts entstand der erste Futuresmarkt, die Dojima (堂島米市場, Dōjima kome ichiba, 堂島米会所, Dōjima kome kaisho) im japanischen Ōsaka, auf dem Reis auf Termin ohne physische Lieferung (Barausgleich, d.h. lediglich Ausgleich von Gewinn und Verlust) gehandelt wurde.

In den USA wurde am 3. April 1848 die Chicago Board of Trade (CBOT) gegründet. Ursprünglich als Handelskammer gegründet, wurde 1851 der erste time contract (Zeitvertrag) auf die zukünftige Lieferung einer bestimmten Menge Mais zu einem festgelegten Preis gehandelt. Ein Jahr später wurden ähnliche Verträge für Weizen gehandelt. Diese Zeitverträge ähnelten bereits den modernen Futures, waren aber aufgrund ihrer individuellen Ausfertigung und Bedingungen eher vergleichbar mit Forwards. Der in den folgenden Jahren wachsende Handel mit time contracts führte zur Beteiligung von Personen am Handel, die keine Verbindung zur Getreideproduktion oder -handel hatten und rein spekulative Interessen verfolgten. Verträge wechselten mehrfach den Begünstigten, bis sie schließlich zu jemandem gelangten, der an der Auslieferung des zugrundeliegenden Getreides interessiert war. Der gestiegene Handel mit time contracts mit längerer Laufzeit durch spekulative Investoren führte in der Folge zum Missbrauch des Instrumentes und 1863 erließ die CBOT erste Regeln zur Steuerung des Handels. Die 1865 eingeführten Regeln begründeten standardisierte Verträge, die unter anderem die Laufzeit, Marginverpflichtungen und Lieferbedingungen festlegten. Sie legten damit die Grundlage für die Ausgestaltung moderner Futures. Durch die Standardisierung der Verträge wuchs der Handel mit Futures. 1874 wurde die Chicago Produce Exchange, an der diverse landwirtschaftliche Erzeugnisse gehandelt wurden, gegründet. 24 Jahre später im Jahre 1898 entschloss sich eine Untergruppe dieser Börse, die für den Handel von Butter und Eiern verantwortlich war, das Chicago Butter and Egg Board zu gründen. Obwohl der Handel mit Eiern nur einen kleinen Teil der Gesamtaktivitäten im Derivatebereich der USA ausmachte, ist die Börse bemerkenswert, weil an ihr 1919 die ersten umfassenden Regularien für den Handel mit Futures festgelegt wurden und der Handel von time contracts auf Futures ausgedehnt wurde. Gleichzeitig wurde der Name in Chicago Mercantile Exchange (CME) geändert. Bis zum Zusammenschluss der CBOT und der CME waren diese beiden Börsen die wichtigsten Handelsplätze für Futures.

 

Bedeutung

Derivate sind das vermutlich am schnellsten wachsende und sich verändernde Segment des modernen Finanzwesens. Nach Angaben der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) betrug der Nominalwert aller weltweit ausstehenden OTC-Derivatekontrakte im 2. Halbjahr 2010 601 Billionen US-Dollar. Im Jahr 2000 waren es 95 Billionen US-Dollar.

Die Nominalwerte der ausstehenden Verträge sind allerdings nur sehr beschränkt aussagekräftig, weil Nominalbeträge nur die Rechengrundlage für die Verträge bilden. Es handelt sich weder um Zahlungen, die ausgetauscht werden, noch um den Wert der aus den Derivatverträgen erwachsenden Forderungen. Zudem kommt es bei der Ermittlung der Beträge durch die BIZ in dem Sinne zu Mehrfachberücksichtigungen, als dass es sich um Bruttovolumina handelt, die Risiken aus den Verträgen sich aber auch auf Ebene der einzelnen Marktteilnehmer teilweise ausgleichen.


Derivate im deutschen Rechtssystem

Kernbestand der Marktwirtschaft und wesentliches Strukturelement unserer Rechtsordnung ist die Privatautonomie. Gefordert wird keine Tauschgerechtigkeit im Sinne von gleichwertigen Leistungen, sondern es wird den Vertragsparteien überlassen, Leistung und Gegenleistung eigenverantwortlich festzulegen. Bei Derivaten ist die Möglichkeit einer asymmetrischen Leistungsverteilung aufgrund der dargestellten Risiken jedoch besonders hoch. Um den Parteien dennoch eine wohlüberlegte Bewertung von Leistung und Gegenleistung zu ermöglichen, ist Transparenz erforderlich, die der Gesetzgeber gewährleisten muss.

 

Grundriss des Schutzsystems vor 2002

Mit dem Ersten Finanzmarktförderungsgesetz (FFG) im Jahre 1989 wurde vom Gesetzgeber die Termingeschäftsfähigkeit kraft Information eingeführt (§§ 50–70 BörsG a.F.). Die Regelung verfolgte das Ziel, einem breiteren Anlegerpublikum den Marktzugang zu ermöglichen und so den Finanzplatz Deutschland zu stärken: Spekulativen Börsentermingeschäften konnte zwar der Spieleinwand (§ 762 BGB) bzw. Differenzeinwand (§ 764 BGB a.F.) entgegengehalten werden, sodass sich keine durchsetzbaren Forderungen ergaben. War die Vertragspartei jedoch über die spezifischen Risiken (formell) informiert, entfiel nach dem gesetzlichen Leitbild die Schutzbedürftigkeit, und diese Einwände wurden gesetzlich ausgeschlossen.

Dieses Anlegerschutzmodell litt jedoch an gravierenden Schutzlücken: So war auch der nicht informierte Kaufmann kraft Gesetzes schon börsentermingeschäftsfähig (§ 53 Abs. 1 BörsG a.F.). Außerdem konnte die Börsentermingeschäftsfähigkeit durch formelle Unterschrift auf einer von der Kreditwirtschaft ausgearbeiteten, standardisierten Informationsschrift erworben werden, die dann nur zwischen dem Kreditinstitut und dem informierten Kunden wirkte (relative Termingeschäftsfähigkeit). Nach der Rechtsprechung galt dies sogar dann, wenn der Anleger den Inhalt nicht verstanden hatte oder nicht verstehen konnte. Dieses formelle Abstellen auf den Grad der Mündigkeit beim Anleger bot in casu keinen wirksamen Schutz vor ruinösen Dispositionen. Die Rechtsprechung entwickelte daher ein zweistufiges Schutzmodell für den Anleger: Neben der Erlangung der (formellen) Termingeschäftsfähigkeit durch Unterzeichnung der Aufklärungsschrift (Grundaufklärung) hatte auf der zweiten Stufe eine anleger- und objektgerechte Beratung stattzufinden, die die individuellen Verhältnisse des Anlegers sowie die Besonderheiten des konkreten Geschäfts berücksichtigt. An diese Entwicklung knüpft das neue Schutzsystem des 4. FFG von 2002 an.


Grundriss des Schutzsystems 2002–2007

Das Schutzsystem wurde vom Börsengesetz in das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) überführt. Aus materiellrechtlicher Sicht wurde der Anlegerschutz auf eine andere anreizökonomische Grundlage gestellt. Aus dem Abschluss von Finanztermingeschäften entstehen im Grundsatz wirksame Forderungen, denn der Differenzeinwand (§ 764 BGB a.F.) wurde gestrichen und der Spieleinwand (§ 762 BGB) für Finanztermingeschäfte nach Maßgabe des § 37e WpHG ausgeschlossen. Der Anlegerschutz sollte auch weiterhin durch Aufklärung gewährleistet werden. In § 37d Abs. 5 WpHG wurde die Zwei-Stufen-Theorie der Rechtsprechung kodifiziert, indem klargestellt wurde, dass neben die schadensersatzbewehrte Grundaufklärung des § 37d Abs. 1 WpHG auch die allgemeinen Aufklärungspflichten treten. Der Anleger wurde also durch ein Nebeneinander mehrerer Informationspflichten geschützt, die auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhten und bei Schlechterfüllung durchweg einen Schadensersatzanspruch auslösten. Zudem wurde die Einhaltung auch der Grundaufklärungspflichten durch die BaFin zusätzlich gesichert (§ 37f WpHG). Nach dieser Systematik konnten Derivategeschäfte nur noch dann rechtsunwirksam sein, wenn sie verbotene Finanztermingeschäfte nach § 37g WpHG darstellten oder nicht unter den Begriff des Finanztermingeschäfts (§ 2 Abs. 2a WpHG) fielen, sodass der Ausschluss des Spieleinwands (§ 37e WpHG) nicht griff.

 

Das Schutzsystem ab November 2007

Durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG, Umsetzungsgesetz zur MiFID) wurde das Recht der Derivate nochmals reformiert.

Zum einen wurde der Derivatebegriff im WpHG im Vergleich zum alten Begriff der Finanztermingeschäfte erweitert. Zwar bestehen Termingeschäfte nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 WpHG als Kern des Derivatebegriffs fort. Derivate wurden jedoch um bloße Differenzgeschäfte (Nr. 3) erweitert, sodass nach dem Umsetzungsgesetzentwurf auch Daytradinggeschäfte oder Kreditderivate erfasst wurden. Die Begriffsausweitung soll die Anwendung des Gesetzes erleichtern und somit das Anlegervertrauen stärken.

Zudem wurde die „Erste Informationsstufe“ des § 37d WpHG ersatzlos gestrichen. Der Anlegerschutz durch Information soll durch die erweiterten Anforderungen der Verhaltenspflichten nach § 31 ff. WpHG auch bei Derivaten ausreichend gewährleistet sein. Kernbereich der einzigen Informationsstufe der §§ 31 ff. WpHG ist auch die bestmögliche Ausführung (Best Execution; § 33a WpHG), die durch eine standardmäßige Kundenkategorisierung (§ 31a WpHG) gewährleistet werden soll. Der notwendige individuelle Aufklärungsinhalt ist an diesen Kundenkategorien auszurichten. Derivate sind demnach der höchsten Schutzstufe zuzuordnen.


Meldepflicht ab Februar 2014

Ab dem 12. Februar 2014 sind alle Unternehmen gemäß Art. 9 der EMIR-Verordnung verpflichtet, den Abschluss neuer sowie die Änderung oder vorzeitige Beendigung bestehender Derivatekontrakte an ein Transaktionsregister zu melden. Von dieser Meldepflicht werden sämtliche Derivatekontrakte erfasst – hiervon sind sowohl börslich als auch außerbörslich abgeschlossene Geschäfte betroffen.

 

Besondere Vorschriften für Kreditinstitute

Kreditinstitute schließen untereinander und mit Nichtbanken die meisten Derivate ab. Ihre Geschäftspartner werden Gegenpartei genannt, deren Kreditwürdigkeit nach Art. 286 Abs. 2a Capital Requirement Regulation (CRR) einer Kreditwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Dabei müssen Kreditentscheidungen zur Einräumung bankinterner Kreditlinien für Gegenparteien führen, um das Geschäftsvolumen für jede einzelne Gegenpartei zu limitieren. Das besondere Risiko liegt für Banken in der Laufzeit der Derivatsgeschäfte, weil sich während dieser Laufzeit der Marktwert des Derivats verändern kann. Bei derivativen Finanzinstrumenten erwächst für Kreditinstitute eine Ausfallgefährdung, wenn das Derivat einen positiven Wiederbeschaffungswert aufweist und aus Sicht der Bank durch die Marktentwicklung eine Forderung gegen die Gegenpartei entsteht.

 

Weblinks

 

Quelle:  Derivat (Wirtschaft) – Die freie Enzyklopädie

Gelesen 4770 mal Letzte Änderung am Sonntag, 22 Dezember 2019 21:05

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